Im Februar 2020 gibt der 41-jährige Marco P.* an der Zürcher Langstrasse drei Schüsse ab. Während er abdrückt, zielt er auf einen flüchtenden Drogendealer. Für diese Tat musste er sich am Donnerstag vor Gericht verantworten. Die Richterin gab ihm eine allerletzte Chance.
Dass an diesem Samstagabend niemand verletzt wurde, grenzt fast an ein Wunder. Liest man die Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft, hätten die abgegebenen Schüsse sowohl für den Beteiligten aber auch für unschuldige Passanten tödlich enden können. Passiert ist der Vorfall am 29. Februar 2020 gegen 21.15 Uhr.
Zu dieser Zeit ist an der Zürcher Langstrasse das Partyvolk unterwegs, junge Menschen flanieren die Ausgangsmeile entlang. Unter ihnen auch der 41-jährige Schweizer Marco P.. Vor einigen Tagen hatte er sich hier im Kreis 4 mit Kokain eingedeckt. Das dachte er anfänglich zumindest. Wie sich wenig später herausstellte, hatte das weisse Pulver keinerlei berauschende Wirkung. Er sei vom Dealer über den Tisch gezogen worden, erzählt er später den Ermittlern.
An diesem Samstag trifft Marco P. auf seinen Kontrahenten. Er geht auf ihn zu, zückt seinen Revolver der Marke «Rossi», Kaliber .22. und fordert sein Geld zurück. Es kommt zu einem Gerangel, worauf sich ein Schuss löst. Der Dealer flieht, Marco P. geht ihm nach, zielt mit der Waffe auf den Mann und drückt nochmal ab. Insgesamt zweimal. Die Projektile verfehlen ihr Ziel. Der Flüchtende bleibt unverletzt.
Seit Jahren drogen- und alkoholabhängig
Vor dem Bezirksgericht Zürich kam es am Donnerstag zum Prozess gegen Marco P.. Der Schweizer ist seit Jahren drogen- und alkoholabhängig und lebt von der Sozialhilfe. Vor der Richterin gibt er zu, die Schüsse abgegeben zu haben. Aber: «Ich wollte ihm nur einen Schrecken einjagen und nicht in Todesangst versetzten.»
Marco P. ist bezüglich Gewaltausübung aber kein unbeschriebenes Blatt. Ihm wurde bereits eine vierjährige Haftstrafe wegen versuchter schwerer Körperverletzung aufgebrummt. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Antrag eine Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, sein Anwalt plädierte stattdessen auf Gefährdung des Lebens und versuchte Nötigung. Das Gerichts solle seinen Mandanten mit einer Freiheitsstrafe von vier Jahren bestrafen.
Das sah das Bezirksgericht Zürich anders. Es folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilt den Mann wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und versuchter Erpressung. Beim Strafmass blieb das Gericht mit einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren allerdings unter den geforderten neuneinhalb. Die Strafe wird aber zugunsten einer stationären Suchttherapie aufgeschoben. «Sie haben nochmals eine Chance», sagt die Richterin.
*Name der Redaktion bekannt.

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