Bei einem tragischen Unfall auf der grössten Baustelle der Schweiz ist vor drei Jahren ein Bauarbeiter schwer verletzt worden. Eine Bitumen-Rolle traf ihn aus einer Höhe von 15 Metern und führte zu einer Querschnittlähmung. Jetzt wurde der Mann, der die Last am Kranen befestigt hatte, verurteilt.

Der Prozess fand am Mittwoch vor dem Bezirksgericht in Bülach statt. Vor Gericht war besonders die Frage strittig, ob der Beschuldigte die Sicherung der Ladung abgeschlossen hatte als der Kranführer die Palette anhob. «Ich war noch nicht fertig damit», gab er vor dem Richter an. «Ich hatte dem Kranführer kein Zeichen gegeben», beteuerte er seine Unschuld. Er habe gar keine Gelegenheit mehr gehabt, die Sicherungskette an die Krangabel anzubringen, führte er weiter aus.

Auf die Feststellung des Richters, dass die Ladung aber auch mit dieser Kette nicht nach SUVA-Norm (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt) gesichert gewesen wäre, sagte der Beschuldigte: «Einen Schutzkorb wie ihn die SUVA vorschlägt, habe ich während meiner über zehnjährigen Berufstätigkeit noch nie auf einer Baustelle gesehen. Die Sicherung mit der Kette allerdings tausendfach.»

Der 27-jährige Polybauer war als sogenannter Anschläger für das Anhängen der Ladung an den Kranen zuständig. In diesem Fall handelte es sich um eine Palette mit 18 Bitumen-Rollen. Jede dieser Rollen hatte ein Gewicht von rund 50 Kilogramm. Insgesamt also fast eine Tonne Gewicht. Für den Transport sind solche Paletten bereit, wenn sie mit viel Plastikmaterial umwickelt und verpackt sind.

Zweite Instanz spricht Kranführer frei

Das war hier aber nicht mehr der Fall. Die Plastikverpackung war aufgebrochen, zwei Rollen bereits für den Bau verwendet worden. Damit hätte zwingend ein Schutzkorb verwendet werden müssen. Stattdessen kamen textile Gurte, die der Polybauer waagrecht um die stehenden Rollen legte und fixierte, zum Einsatz. Mit dieser gemäss Staatsanwaltschaft ungenügenden Sicherung habe der Mann eine Pflichtverletzung begangen, weiter sei der Unfall voraussehbar gewesen und hätte somit verhindert werden können.

Das sah das Bezirksgericht Bülach ähnlich. Es verurteilte den 27-Jährigen wegen fahrlässiger Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten. Die vom Opfer geforderte Schadenersatzsumme von über 200’000 Franken wurde auf den Zivilweg verwiesen.

Auch der Kranführer stand in einem früheren Prozess als Mitbeschuldigter vor Gericht. Während ihn das Bezirksgericht Bülach wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilte, sprach ihn das Obergericht in zweiter Instanz Anfang September frei. Es ist also gut möglich, dass auch der Polybauer seinen Fall an die nächste Instanz weiterzieht.