Am nächsten Mittwoch kommt es in Zürich zum Prozess gegen den wohl bekanntesten jugendlichen Straftäter der Schweiz. «Carlos», mittlerweile 24 Jahre alt, ist wegen insgesamt 19 Delikte angeklagt. Unter anderem weil er einen Gefängniswärter brutal angegriffen hat.

Wie kaum ein anderer Jugendlicher beschäftigt «Carlos» die Justizbehörden über mehrere Jahre in gleich mehreren Kantonen. Immer wieder wird er straffällig, immer wieder muss er platziert, weggesperrt und therapiert werden. Seit 2017 sitzt er nun in der Zürcher Strafanstalt Pöschwies in Haft. Er ist in einer Sicherheitszelle untergebracht, hat nur eine Stunde pro Tag Hofgang. Hier wartet «Carlos», der nach einem Interview mit der SRF-Sendung «Rundschau» lieber mit seinem richtigen Namen Brian bezeichnet werden möchte, auf seinen Prozess. Dieser startet am Mittwoch und ist auf zwei Tage angesetzt.

Bereits in dieser Woche ist die Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft, die «Crime Schweiz» vorliegt, veröffentlich worden. Und die neuerlichen Vorwürfe gegen den jungen Straftäter sind happig. Konkret geht es um versuchte schwere Körperverletzung, mehrfache einfache Körperverletzung, mehrfache Sachbeschädigung, mehrfache Drohung, mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie um mehrfache Beschimpfung. Die Staatsanwaltschaft für Gewaltdelikte hat Brian in insgesamt 19 Fällen angeklagt.

Der Prozess findet vor dem Bezirksgericht Zürich statt.
Bild: Zvg

Schläge mit voller Wucht gegen den Kopf

Das wohl schwerste Vergehen – die versuchte schwere Körperverletzung – ereignet sich am 28. Juni 2017 in der Strafanstalt Pöschwies. Brian wird an diesem Tag eröffnet, dass er in die Sicherheitsabteilung zurückversetzt wird, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift schreibt. Das Gespräch findet im Büro des Abteilungsleiters statt, neben dem Leiter ist ein weiterer Gefängniswärter im Zimmer anwesend. Brian will von der Versetzung nichts wissen, wird laut und droht mit Gewalt. Zudem macht er folgende Aussagen, wie die Anwesenden aussagen: «Ihr könnt mich schon in die SA1 versetzen, doch ich werde jedes Mal, wenn meine Zellentüre geöffnet wird, den ersten Aufseher anspringen und ihn kaputtschlagen» und weiter «jetzt erkläre ich euch den Krieg».

Kurz darauf eskaliert die Situation im Büro. Brian ergreift einen Stuhl und wirft ihn quer durchs Büro. Ein Notebook und ein Computerbildschirm werden zerstört. Der Gefängniswärter drückt in diesem Moment den Alarmknopf, ist abgelenkt und sieht nicht, wie Brian auf ihn losgeht. Gemäss Anklageschrift schlägt dieser mit voller Wucht und der rechten Faust mindestens zweimal gegen den Kopf des sitzenden Mannes, das Opfer fällt zu Boden und bleibt dort auf dem Rücken liegen. Es versucht seinen Kopf mit den Armen zu schützen, während Brian mindestens drei weitere Male zuschlägt.

Erst die angerückte sechsköpfige Interventionseinheit der Abteilung kann den Beschuldigten von seinem Opfer wegzerren. Der Gefängniswärter erleidet beim Angriff ein leichtes Schädelhirntrauma sowie Prellungen an der linken Halswirbelsäule. Zudem muss er sich für mehrere Wochen in eine psychiatrische Behandlung begeben. Für die Staatsanwaltschaft ist erwiesen, dass der Beschuldigte mit den ausgeführten Schlägen sein Opfer «schwer, lebensgefährlich oder gar tödlich hätte verletzen können».

Verwahrt mit 24 Jahren?

Im Telefon-Interview mit der «Rundschau» sagt Brian: «Hier drin ist Wut und Hass meine Nahrung. Hier herrscht kein menschlicher Zustand.» Er lebe seit Monaten isoliert, unter eigens für ihn geschaffenen Sicherheitsmassnahmen. Für ihn sei das eine «Erniedrigung».

Dass er einen Aufseher angegriffen hat, könnte Brian jetzt zum Verhängnis werden. Bis jetzt hat die Staatsanwaltschaft noch keine Anträge zum Strafmass bekannt gegeben. Doch es soll eine Verwahrung geprüft werden. Dabei handelt es sich um eine dauerhafte Inhaftierung von gefährlichen Straftätern. Nicht als Strafe sondern als Massnahme zum Schutz der Öffentlichkeit. Die Fortführung der Verwahrung wird regelmässig durch psychiatrische Gutachten überprüft.

Brian und sein Vater haben bereits angekündigt, dass sie sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen eine allfällige Verwahrung zur Wehr setzen werden.