Die Staatsanwaltschaft hat mit einem neuen Phänomen zu tun: Sexueller Missbrauch von Minderjährigen per Livecam. Jetzt wurde ein Mann zu knapp sechs Jahren verurteilt.
Um den ultimativen Kick zu erhalten, suchen Pädophile im Internet nicht nur nach kinderpornografischen Bildern und Filme, sondern lassen sich mittels Cam-Sex und gegen Bezahlung sexuelle Handlungen mit Kindern live vorführen. Die Kinder stammen hauptsächlich aus den Philippinen, wie der am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Zürich durchgeführte Prozess zeigt – bereits der dritte Fall innerhalb eines Jahres.
Angeklagt ist ein knapp 30-jähriger kaufmännischer Angestellte, dem Anstiftung zu Schändung sowie Kinderpornographie vorgeworden wird. Er soll laut der Staatsanwältin auf einem einschlägigen Internetportal mit einer nicht näher bekannten Person im März 2013 auf den Philippinen über Skype Kontakt aufgenommen haben. Dabei verlangte er, dass mit einem dreijährigen Mädchen sexuelle Handlungen vor der Kamera durchgeführt würden, insbesondere, dass das Kind zu penetrieren sei, wie in der Anklageschrift steht. Dazu kam es aber nicht, der Chatpartner weigerte sich.
Ein Chatverlauf als Beweismittel
Die Staatsanwältin stützt sich dabei auf den Chatverlauf. Den Cyberspezialisten der Bundeskriminalpolizei war der Mann vor rund zwei Jahren wegen Kinderpornographie ins Netz gegangen und im Laufe der Ermittlungen kam das ganze Ausmass ans Licht – auch den nun angeklagten Vorwurf der versuchten Schändung. Im Chatverlauf beschrieb der junge Mann ausführlich, was mit dem Mädchen alles gemacht werden soll – “das Kind wurde aufs widerwärtigste ausgenützt, allein um den kranken Trieb des Beschuldigten zu befriedigen”, zitiert der “Tages-Anzeiger” die Staatsanwältin. Einzig die geforderte Vergewaltigung habe nicht stattgefunden, aber nur weil das Mädchen körperlich noch zu klein gewesen sei. Sie forderte für den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von fünfdreiviertel Jahren sowie eine strafbegleitende ambulante Therapie.
Die Anwältin des Mannes verlangte nur eine Verurteilung wegen Kinderpornographie, ihr Mandant sie mit einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu bestrafen. Dies hat er bereits mit der Untersuchungshaft abgesessen. Sie stellte den Chatverlauf nicht in Abrede, nur habe es sich um ein Rollenspiel gehandelt. Es sei nie zu sexuellen Handlungen mit einem dreijährigen Mädchen gekommen, sondern bei der Cam-Sex-Show seien zwei erwachsenen Frauen beteiligt gewesen. Ihr Mandant habe dafür 170 US-Dollar bezahlt. Er habe nur aus Blödsinn nach einem dreijährigen Kind gefragt. Ihr Mandant sei mangels Beweisen vom Vorwurf der versuchten Schändung freizusprechen. Es gebe keine Bilder von der angeblichen Tat und auch die Personen in den Philippinen seien unbekannt, die Anklage berufe sich einzig auf den Chatverlauf.
Richter glaubt nicht an Rollenspiel
Dies bekräftigte auch der kaufmännische Angestellte am Prozess. Er habe sich damals in einer schweren Lebenskrise und Depression befunden. Er sei stundenlang im Internet herumgesurft und von legalen auf illegale Pornoseiten im Darknet gelandet. Er schäme sich, sagte er zum Richter, als dieser die Chatprotokolle zitierte. Er habe zwar eine Show mit einer Dreijährigen bestellt und bezahlt, in Tat und Wahrheit habe es sich aber um ein Rollenspiel von zwei erwachsenen Frauen gehandelt.
Für das Gericht hat der Beschuldigte jedoch zweifelsfrei eine “Kindsmisshandlung bestellt”, wie der Richter sagte. Es verurteilte den Mann wegen Anstiftung zur Schändung und sexuellen Handlungen mit Kindern und Kinderpornographie zu einer Strafe von 5 Jahren und 8 Monaten, ein Monat weniger als die Staatsanwältin gefordert hatte. Der Mann habe bezüglich der Anstiftung zu Schändung in der Untersuchung immer gesagt, es nur aus “Gwunder und Blödsinn” gehandelt zu haben, später am Prozess war es aber plötzlich ein Rollenspiel gewesen. Dies sei nicht glaubhaft, sagte der Richter.
Bis 36 Fälle pro Jahr
Das Phänomen, dass Pädophile per Livestream bei sexuellen Handlungen mit Kindern zusehen und Anweisungen erteilen, ist den Strafverfolgungsbehörden seit einigen Jahren bekannt – Tendenz steigend. Bei der Bundespolizei Fedpol gehen im Schnitt zwei bis drei Dutzend Meldungen pro Jahr ein, wie die Sprecherin sagt. Das sei nur die Spitze des Eisbergs. Ursache und Treiber für das Phänomen ist vor allem das Gefälle zwischen armen und reichen Ländern. Die Opfer stammen oft aus Asien.
Bereits im April war ein Mann um die 50 Jahre wegen Internetsex mit einem 14-jährigen Filipino vom Bezirksgericht Uster zu einer Freiheitsstrafe von knapp drei Jahre verurteilt worden, die zugunsten einer stationären Therapie – so genannte kleine Verwahrung – aufgehoben wurde. Der Mann hatte sich von seiner Wohnung im Glattal aus via Web mit einem Burschen befriedigt. Dabei war es zwischen zehn und zwanzig mal zu Cam-Sex gekommen und der Mann überwies dem Teenager jedesmal fünf US-Dollar. Ein weiterer Fall von Live-Missbrauch von Kindern auf den Philippinen hatte das Bezirksgericht Zürich vor einem Jahr behandelt. Dabei war ein Pädophiler, der via Webcam sexuelle Handlungen an einer Vielzahl von minderjährigen Mädchen anordnete, zu 50 Monaten verurteilt worden. Auch hier war die Strafe zugunsten einer Therapie aufgeschoben worden.