Der Mann, der 2017 in Dietikon brutal eine Rentnerin misshandelte, musste sich am Freitag vor Gericht verantworten. Warum es zur Tat kam, konnte er dem Richter nicht erklären.

Schwerfällig, einsilbig und mit gesenktem Kopf stand gestern der 56-jährige Schweizer vor dem Bezirksgericht Dietikon. «Es tut mir leid, es ist ein Wahnsinn, was ich gemacht habe», murmelte er. Der geständige Mann hatte im April 2017 in Dietikon eine 80-jährige Rentnerin in ihrer Wohnung sexuell brutal misshandelt und sie anschliessend gefesselt in der Wohnung ihrem Schicksal überlassen.

Sein Anwalt versuchte eine Erklärung zu geben, warum sein Mandant nach über zwanzig Jahren deliktfreiem Leben ab 2013 in eine Abwärtsspirale geriet, die mit dem Sexualdelikt einen Tiefpunkt erreichte. So war dem Zügelmann vom Arbeitgeber gekündigt worden, als er im Zorn einem Mitarbeiter eine Ohrfeige gab. Dem Jobverlust folgten Depressionen und suizidale Gedanken – Vater, Mutter und eine Schwester hatten schon Selbstmord gemacht – sowie Wohnungsverlust und die Beziehung mit der Freundin ging in die Brüche. Wäre dem Mann nach zwanzig Jahren Arbeit nicht fristlos gekündigt worden, so der Anwalt, wäre sein Mandant nicht wieder straffällig geworden, wie er es als junger Mann in den achtziger Jahren bereits war. Davon zeugen die Urteile wegen Sexual- und Vermögensdelikte, für die er bis 1991 in der Strafanstalt Thorberg BE einsass.

Der Beschuldigte leidet an einer Schizophrenie, die Psychiaterin bescheinigt ihm eine leicht bis mittelgradig verminderte Schuldfähigkeit und empfiehlt eine stationäre Massnahme. Er ist in der psychiatrischen Klinik Rheinau untergebracht. Seit er dort Medikamente nimmt, geht es ihm deutlich besser. 

«Opfer litt Todesangst»

Der Staatsanwalt verlangte für den 56-Jährigen wegen Raubs, sexueller Nötigung und Freiheitsberaubung eine Strafe von 14 Jahren, die zugunsten einer stationäre Massnahme («kleine Verwahrung») aufgeschoben werden soll. Der Raub sei nicht im Vordergrund gestanden, sondern das Sexualdelikt. «Der Beschuldigte wollte seine Macht ausspielen und das Opfer erniedrigen und quälen», zitiert der «Tages-Anzeiger» die Anklagebehörde.

Und dafür hatte sich der Beschuldigte am 29. April 2017 ein Zufallsopfer gesucht. Er folgte an diesem Tag einer 80-jährigen Rentnerin ins Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses in Dietikon. Er packte die Frau, als sie die Wohnung betrat. Er stiess sie aufs Bett und schnitt ihr die Kleider vom Leib. Dann missbrauchte er die Rentnerin aufs Brutalste und befriedigte sich dabei selbst. Danach fesselte er sie derart mit einem Seil um den Hals, dass die Gefahr eines «lagebedingten Erstickungstodes» oder einer Autostrangulation bestand.

Zum Prozess kam es vor dem Bezirksgericht Dietikon ZH. Das Urteil wird erst für 24. Juni erwartet.
Bild: Hochbauamt Kanton Zürich

Nach der Tat floh der Mann mit einer Beute von einigen Tausend Franken sowie zwei Pistolen und Munition, welche der Mann der Rentnerin für eine Drittperson aufbewahrt hatte. Die Frau überliess er ihrem Schicksal. Sie wurde zwei Stunden später vom Ehemann gefunden und befreit. Der Räuber wurde am 5. Mai 2017 im Thurgau verhaftet. Der Polizei war seine Identität dank der DNA-Spuren rasch bekannt.

Der Verteidiger verlangte am gestrigen Prozess eine Strafe von vier Jahren, die ebenfalls zugunsten eine stationären Massnahme aufgehoben werden soll. Der Raub sei im Vordergrund gestanden, nicht der Sex. Sein Mandant habe selber gesagt, dass ihn plötzlich der Teufel geritten habe. 

Bei einer stationäre Massnahme wird ein Beschuldigter in einem Gefängnis oder in einer geschlossenen Klinik therapeutisch und wenn nötig medikamentös behandelt. Die Aufenthaltsdauer hängt vom Therapieerfolg ab; einstweilen in der Regel fünf Jahre. Das Urteil wird am 24. Juni gefällt.