Dass der Frau was passiert ist, war am Freitag vor Bezirksgericht Dietikon unbestritten. Ihre Aussagen allerdings waren dem Richter zu widersprüchlich. 

Ohne Hose und Unterhose, nur mit T-Shirt und einem Schuh bekleidet, stand die Frau laut schreiend und gestikulierend nachts um 2 Uhr vor einem Haus in Dietikon ZH und hielt einen vorbeifahrenden Wagen an. Sie sei vergewaltigt worden, sagte die stark alkoholisierte Frau schluchzend und bat, Polizei und Sanität zu alarmieren. Diese Szene am frühen Morgen des 11. Juni 2018 war das Ende eines Dates zwischen einem damals 28-jährigen Eritreer und einer Landsfrau um die 20 Jahre.

Am Freitag stand der Mann vor dem Bezirksgericht Dietikon, angeklagt wegen Vergewaltigung. Laut Anklageschrift hatte die Frau den Sozialhilfeempfänger und abgewiesenen Asylbewerber, den sie von früher her kannte, an jenem Abend in seinem Zimmer in einem Mehrfamilienhaus besucht. Zuerst unterhielten sie sich, hörten Musik und tranken Bier. Doch kurz darauf begann der Mann sie anzufassen und er versuchte, die Frau zu küssen. Sie wehrte sich, worauf der Beschuldigte, nach ihren Aussagen, gewalttätig wurde. Er riss ihr die Kleider runter, zog sie aufs Bett und vergewaltigte sie brutal, nicht ohne sich vorher noch ein Kondom über zu ziehen. Soweit die Anklagevorwürfe, welchen der junge Mann am Prozess vehement widersprach.

Nicht er habe die Initiative ergriffen, sondern die Frau habe ihn angefasst und zu küssen begonnen. Es sei einvernehmlicher, ganz normaler Sex gewesen. Er sei danach eingeschlafen und die Frau sei, ohne sich zu verabschieden, gegangen.

Auf die Frage des Richters, warum die Frau dann halbnackt vor dem Haus um Hilfe gerufen habe, konnte der Mann keine Antwort geben. Auch nicht, warum er von seinem Mitbewohner in der verschlossenen Toilette befreit werden musste, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.

Acht Jahre Landesverweis

Der Staatsanwalt verlangte eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren sowie einen achtjährigen Landesverweis. Es habe sich nicht um ganz normalen Sex gehandelt, wie der Beschuldigte angab, sondern um eine brutale Vergewaltigung. Der Rechtsmediziner habe Verletzungen im Genitalbereich festgestellt. Die Frau war geflohen, als der Mann auf dem WC war – sie hatte ihn dort eingeschlossen. Die Opferanwältin verlangte für die junge Frau eine Entschädigung von 30’000 Franken.

Demgegenüber verlangte der Verteidiger des Eritreers einen Freispruch. Er erwähnte die widersprüchlichen Aussagen, welche die Frau bei Polizei und Staatsanwaltschaft gemacht hat. So soll der Mann sie einmal mit einem Messer bedroht und gefügig gemacht haben, dann war es ein Schraubenzieher. Zuletzt sei es ein Nagel gewesen, den er dem Opfer ins Auge stechen würde, wenn sie nicht mitmache. Auch habe die Frau anfänglich bestritten Alkohol getrunken zu haben, obwohl sie und der Mann stark betrunken waren. 

Weiter habe sie gesagt, sie sei während sieben Minuten oder gar einer Viertelstunde  gewürgt worden – der Rechtsmediziner fand aber keine entsprechenden Spuren. Dass das Opfer, welches zur Befragung vom Gericht aufgeboten worden war, der Verhandlung ohne Entschuldigung fernblieb, war für den Verteidiger der Beweis, dass sie am Prozess gar nicht interessiert sei. 

«in dubio pro reo»

Bei so vielen Widersprüchen war für das Bezirksgericht klar, dass nur ein Freispruch «in dubio pro reo» (Im Zweifel für den Angeklagten) in Frage kam. Der Eritreer erhielt für die zweitägige U-Haft eine Genugtuung von 400 Franken. Der Richter fragte sich auch, warum die Frau nicht um Hilfe rief, wo doch ein Mitbewohner in der Wohnung war. 

Dass der Frau etwas zugestossen war, sei unbestritten, nur wisse man nicht was. Für eine Verurteilung reiche eine solche Vermutung aber niemals. Es könnte sein, dass sie mit den sexuellen Handlungen nicht einverstanden war, ohne dies dem Mann deutlich mitgeteilt zu haben und sie sich danach schämte. Aber das sei nur ein Vermutung, eine schlüssige Antwort könne das Gericht nicht geben.