Das Zürcher Obergericht schickt einen Syrer, der eine Studentin in ihrer Wohnung im Zürcher Kreis 4 brutal vergewaltigt hat, für acht Jahre ins Gefängnis – ein Jahr weniger als die Vorinstanz. 

Es ist der Albtraum jeder Frau: Plötzlich steht ein wildfremder Mann in der Wohnung und verlangt nach Sex. Diesen Albtraum hat eine Studentin am Morgen des 7. September 2018 in ihrer Wohnung erlebt. Sie befand sich in der Toilette, stand nackt vor dem Spiegel, putzte sich die Zähne und wollte danach duschen und zur Arbeit gehen, als plötzlich die Tür aufging und ein ihr unbekannter Mann ins Badezimmer trat. Er sei dann auf sie zugekommen, habe sie gepackte und gesagt: «Bitte, bitte. Ich muss jetzt, brauche Sex» und «tut mir leid, aber ich muss jetzt». 

Die Frau wehrte sich, es  kam zu einem Gerangel und das Opfer fiel rücklings in die Badewanne. Sie schlug ihm mit der Zahnbürste ins Gesicht und konnte aus dem Badezimmer flüchten. Der Mann folgte ihr, zerrte sie ins Schlafzimmer, wo er sie zu Boden warf, sie würgte und ihr den Mund zuhielt. Die Frau konnte erneut fliehen, worauf er sie einholte und wieder ins Badezimmer stiess. Dort missbrauchte und vergewaltigte sie der Syrier brutal. Die Tortur dauerte knapp eine halbe Stunde – die Dauer konnte dank der Videokamera im Treppenhaus genau dokumentiert werden. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie der Mann das Mehrfamilienhaus um 7.32 Uhr betrat und es um 7.59 Uhr wieder verliess.

Opfer bricht in Apotheke in Tränen aus

Weil die Frau Angst hatte, dass der Täter ihr nach der Vergewaltigung noch etwas antun oder sie gar töten könnte, sagte sie, dass sie nicht zur Polizei gehe, nur zur Apotheke. Beide verliessen die Wohnung und vor dem Haus verschwand der Mann. Die Frau ging zur nächsten Apotheke, wo sie unter Tränen die «Pille danach» verlangte und sagte, dass sie vergewaltigt worden sei. Die alarmierte Polizei fand in ihrer Wohnung im Badezimmer den Ausweis des Syrers. Wenige Stunden später konnte er im Zug in Chiasso, auf der Flucht nach Italien, verhaftet werden. Seitdem befindet er sich in Haft. 

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den Coiffeur im Juli 2019 erstinstanzliche wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren – einhalb Jahre mehr als der Staatsanwalt gefordert hatte. Zudem sollte der Syrer für 15 Jahre des Landes verwiesen werden. Die Strafe fiel so hoch aus, weil der Mann bereits elf Vorstrafen hatte, vor allem Verletzungen gegen das Ausländerrecht, aber auch Diebstähle und Drogendelikte. Zudem ist er auch schon in Italien viermal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, zweimal wegen Raubversuchs.

Beim Prozess vor dem Bezirksgericht hatte der Mann die Vergewaltigung abgestritten. Es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt, sagte er damals. Dies obwohl die Ärzte bei der Frau Hämatome, Blutergüsse und Kratzspuren am Körper feststellen und die Polizei in der Wohnung Kampfspuren wie einen zerschlagenen Spiegel, ein umgefallener Ventilator und eine kaputte elektrische Zahnbürste fanden. Weiter sagte der Mann, dass er die Frau schon vorher oberflächlich gekannt habe. Er will sie am Flussbad Oberer Letten kennengelernt haben und einige Zeit später sei es zu einem weiteren kurzen Treffen in einem Restaurant am Bellevue gekommen. Am Vorabend der Tat habe er sie zufällig wiedergesehen und die Frau habe ihn spontan zu sich in ihre Wohnung eingeladen.

Syrer entschuldigt sich mit Brief

Am Prozess vor dem Obergericht war der Mann von einem neuen Verteidiger begleitet und dieser wählte eine neue Strategie. Der Anwalt sagte zu Beginn der Verhandlung, dass sein Mandat geständig sei und die in der Anklageschrift gemachten Vorwürfe stimmen würden. Die zweijährige Untersuchungs- und Sicherheitshaft hätte ein Umdenken bewirkt. «Mein Mandant hat im Gefängnis eine Wandlung durchgemacht», sagte er. 

Der Verteidiger verlangte eine Reduktion der Strafe, das hohe Strafmass der ersten Instanz sei nicht nachvollziehbar. «Mein Mandant stand bei der Tat unter Alkohol- und Drogeneinfluss.» Bei den Vorstrafen handle es sich zudem nicht um gravierende Taten. Eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten und eine siebenjährige Landesverweisung seien angebracht. In einem vorgelesenen Brief entschuldigte sich der Syrer beim Opfer: «Es tut mir leid, dass ich die Frau körperlich und seelisch verletzt habe. Ich möchte mich von ganzem Herzen entschuldigen.» Er habe im Gefängnis viel Zeit zum Nachdenken gehabt. 

Geständnis kommt für Gericht zu spät

Das Obergericht reduzierte die Strafe um ein Jahr und verurteilte den 34-Jährigen wegen Vergewaltigung und Hausfriedensbruch zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. «Sie haben unverfroren, erbarmungslos und skrupellos gehandelt», sagte der Vorsitzende. Das Opfer brauche immer noch eine engmaschige psychotherapeutische Behandlung und leide unter der Tat. Der Mann habe die Frau durch die Wohnung gehetzt und trotz allen Abwehrversuchen sexuell misshandelt und vergewaltigt. Zudem habe er kein Kondom benutzt.

Das Geständnis kommt für das Gericht spät, die Beweislage sei auch ohne sehr klar. Der Richter nannte die Kampfspuren in der Wohnung, die Verletzungen an der Frau und die geplante Flucht nach Italien. Straferhöhend sind die vielen Vorstrafen und die grosse kriminelle Energie. Zudem soll der Syrer für 15 Jahre des Landes verwiesen werden und die Landesverweisung wird im Schengener Informationssystem SIS ausgeschrieben. Das heisst, er wird auch in Zukunft seinen Vater und die Geschwister, welche in den Niederlanden wohnen, nicht besuchen können. Dies weil durch das Schengen-Abkommen Landesverweisungen für den ganzen EU-Raum verbindlich sind.