Thomas Benz ist Bestatter. Dabei hat er es immer wieder mit AGTs zu tun, mit den sogenannten Aussergewöhnlichen Todesfällen.
Sobald ein Arzt eine Todesursache nicht klar bestimmen kann, wird der Fall als ein Aussergewöhnlicher Todesfall eingestuft, Insider sprechen von einem AGT und die Polizei und Staatsanwaltschaft werden aufgeboten. Es muss geklärt werden, ob die Person getötet wurde, sich selbst etwas antat, verunfallte oder eines natürlichen Todes starb. Es sind entscheidende Fragen für die weitere juristische Betreuung des Falles.
Gerade bei einem Tötungsdelikt sind die Sicherheitskräfte mit einem grossen Aufgebot vor Ort. Spezialisten des Kriminaltechnischen Dienstes sichern beweisführendes Material und entnehmen der Leiche DNA-Proben.
Dabei arbeiten die Bestatter im Hintergrund. Gibt der Staatsanwalt den Leichnam zum Transport ins Institut Rechtsmedizin (IRM) frei, legt der Bestatter den Toten in eine Bergungshülle. Er erhält dabei genaue Instruktionen des Rechtsmediziners wie die Leiche geborgen werden muss, um möglichst keine Veränderungen zu verursachen. Oft müssen auch die aufgeschnittenen Kleidungsstücke in die Rechtsmedizin mitgenommen werden, wenn die Leiche nicht nackt aufgefunden wurde.
Ärzte haben Mühe mit der Leichenschau
Die wichtigste Aufgabe bei einem aussergewöhnlichen Tötungsdelikt hat der Hausarzt. Er muss die Leiche entkleiden und sie genau untersuchen. Benz vermutet: «In dieser ersten und wichtigen Phase wurden sicher schon etliche Tötungsdelikte übersehen. Dies, weil ein Hausarzt oft Mühe hat, eine richtige Leichenschau durchzuführen», wie er sagt. Es entspreche nicht dem Beruf des Arztes, tote Menschen so zu untersuchen, wie bei einem lebendigen Patienten.
Das letzte Tötungsdelikt, bei dem der 45-jährige Bestatter involviert war, betraf einen Mann, der an Wahnvorstellungen litt und seine Partnerin im Rausch erstochen hat. Zwei Tage später berichteten die Medien erneute über das tragische Tötungsdelikt: Ein Gruppenfoto der vor Ort beigezogenen Feuerwehr machte Schlagzeilen. Einer Frau war es suspekt vorgekommen, wie die Feuerwehrleute sich im Kreise versammelten. Sie schoss ein Foto mit ihrem Handy und später beim genauen Betrachten bemerkte sie, dass sich zwei Feuerwehrleute mit deplatzierter Pose über den tragischen Fall lustig machten. Sie gelangte an die Medien, der Fall sorgte für Empörung und die örtliche Feuerwehr musste sich entschuldigen.

in St. Gallen.
Foto: Zvg
Die Feuerwehr wird bei AGTs meist durch die Polizei aufgeboten. Die Feuerwehrleute müssen den Verkehr sichern und umleiten oder mit einer Zeltvorrichtung die Leiche vor unnötigen Gaffern abdecken. Vielfach muss die Feuerwehr auch Blutspuren beseitigen oder bei Bahnsuiziden oder Verkehrsunfällen mit Hilfe des Bestatters Leichenteile zusammentragen.
Fusszettel sorgt für Erkennung
Auch Bestatter sind Selfis bei aussergewöhnlichen Todesfällen ausgesetzt. Benz hat schon selbst Pressleute in die Schranken gewiesen, dass sie keine Fotos machen dürfen. Schon gar nicht einen Sarg abzulichten oder ihn gar zusammen mit dem Leichenfahrzeug. Und doch gelingt es gewieften Journalisten immer wieder, einen Schnappschuss von einem tragischen Todesfall zu machen.
Oft kann die Polizei bei einem Leichnam keine Personalien vorfinden. Dann ist für den Bestatter klar, dass die Leiche ins IRM überführt werden muss. Dort wird anhand von DNA-Proben und anderen erkennungsdienstlichen Methoden die Herkunft der toten Person ermittelt. Es kommt auch vor, dass eine verwandte Person die Leiche identifizieren muss. Dies wenn die Leiche schon längere Zeit unerkannt gelegen und verwest ist.
Wenn der Leichnam in die Rechtsmedizin überführt wurde, wird bei jedem AGT einen Eintrag in das Leichenjournal gemacht. Als nächster Schritt bringt der Bestatter den sogenannten Fusszettel mit den Daten des Leichenjournals am Fusse des Leichnams an. Das ist wichtig, weil der Rechtsmediziner für die Obduktion die Bergungshülle am Fussteil öffnet und sieht, ob es sich um den richtigen Leichnam handelt.
Beruf mit physischer und psychischer Belastung
Wird die Leiche nach der Obduktion durch die Staatsanwaltschaft freigegeben, überführt sie der Bestatter zu einem nahegelegenen Krematorium oder Friedhof. Der Leichnam wird den Angehörigen oder einem Beistand übergeben, dann können die Trauerfeier und die Beerdigung organisiert werden. In der Deutschschweiz ist das Bestattungswesen relativ kompliziert geregelt. In den anderen Gebieten der Schweiz gilt die freie Marktwirtschaft. Das heisst, dass es mehrere Bestattungsfirmen gibt und diese in einem Turnus zu einem AGT aufgeboten werden.
Früher verwendete man das Wort Einsargen. Der Fachbegriff wurde durch den Schweizerischen Verband der Bestatter in Einbetten umbenannt. Es hört sich pietätvoller an. In den letzten Jahren ist aus dem Einsarger ein Fachberuf mit einem eidgenössischem Abschluss gemacht worden. Ein guter Bestatter zeigt sich für Benz Lebenserfahrung aus, denn man werde täglich an die Grenzen der physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt.