Sie wollte nur gemütlich ausreiten. Für Reitschülerin Claudia * wurde der Ausflug zum Höllenritt. Eine Zufallsbegegnung löste für sie eine lebensbedrohliche Situation aus.

Am Anfang war alles wie immer. Claudia * striegelt und putzt ihr Schulpferd im Reitstall an der Stadtgrenze von Zürich. Mit ihrer Reitlehrerin plant sie einen Ausflug ins nahe Waldstück am Friesenberg. Kurz darauf stehen ihr Pferd und auch jenes der Reitlehrerin gezäumt und gesattelt bereit. Der Ausritt kann losgehen. Doch nur wenig später kommt es zu einer gefährlichen Begegnung, die diese Woche das Zürcher Bezirksgericht beschäftigt. 

Was ist passiert? An einem Donnerstagmittag, im Januar 2018, kommt das Duo hoch zu Ross schnell voran. Die Pferde sind entspannt, der Ritt ist völlig problemlos. Dann trifft das Reitergespann auf einen Vater, mit seinem achtjährigen Sohn.

Wie es die Regel vorschreibt, reiten die Frauen im Schritt, hintereinander und mit ausreichend Abstand, vorbei. Doch plötzlich springt der Bub hinter eines der Pferde. Bei einem  500 Kilogramm schweren Flucht-Tier, das auf den Hinterbeinen eine enorme Kraft hat, eine gefährliche Aktion. Das Tier könnte erschrecken und ausschlagen – was zu schweren Verletzungen führen kann.

Die Reitlehrerin weist den Jungen deshalb zurecht, was gar nicht im Sinn des Vaters ist. Der Politikwissenschaftler und Sozialpädagoge ärgert sich darüber so sehr, dass er nach einem Ast greift und diesen auf die Pferde schmeisst. Doch damit nicht genug. Wie die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl in ihrer Anklageschrift schreibt, verfolgt er die Reiterinnen und ihre Pferde während längerer Zeit. Immer wieder wirft er mit Ästen nach ihnen, jagt die Tiere förmlich vor sich her.

Staatsanwalt fordert Geldstrafe und Busse

Die Reiterinnen rufen dem Beschuldigten immer wieder zu, damit aufzuhören. Schliesslich alarmieren sie mit ihrem Smartphone die Polizei. Als sie zudem ein Foto des Sozialpädagogen schiessen, eskaliert die Situation endgültig. Der Mann greift einen grösseren Ast und schleudert diesen direkt auf eines der Pferde. Das versetzt die Tiere dermassen in Schrecken, dass sie auf dem Kiesweg durchbrennen. Im gestreckten Galopp preschen sie unkontrolliert davon. Für die Reiterinnen ist das eine lebensgefährliche Situation.

Gemäss Anklageschrift durchlebt Reitschülerin Sonja P. in diesen Momenten wahre Todesängste. Sie fürchtet vom Pferd zu fallen und sich dabei schwer zu verletzen. Das habe der Beschuldigte durch sein Verhalten auch in Kauf genommen, wie die Staatsanwaltschaft weiter schreibt. Sie wirft dem Mann vor, vorsätzlich den öffentlichen Verkehr gestört oder gefährdet zu haben, womit er wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachte. Zudem klagt sie ihn wegen Drohung und  Übertretung des Tierschutzgesetzes an. 

Entsprechend saftig ist auch die geforderte Strafe. Die Anklagebehörde beantragt eine bedingte Geldstrafe von 14’400 Franken sowie eine Busse von 3’400 Franken. Zudem verlangt sie eine Festsetzung einer Ersatzfreiheitstrafe von 29 Tagen, sollte der Beschuldigte die Busse nicht zahlen. Gemäss Medienberichten verurteilte das Bezirksgericht den Beschuldigten schliesslich wegen Störung des öffentlichen Verkehrs, versuchter Körperverletzung und Übertretung des Tierschutzgesetzes. Die Geldstrafe allerdings reduzierte es auf 10’800 Franken, die Busse auf 1’000 Franken.

Für Reitschülerin Claudia und ihre Reitlehrerin nahm der Schreckensritt dann doch noch ein gutes Ende. Nach einigen hundert Metern gelingt es beiden die Pferde unter Kontrolle zu bringen. Mit zittrigen Beinen können sie die Tiere zurück zum Reitstall bringen.

* Name der Redaktion bekannt