Mit einem 15 Zentimeter langen Küchenmesser sticht A. B.* (35) in einem Treppenhaus auf einen Mann ein. Er durchtrennt die Brustwandschlagader, verletzt die Leber. Das Opfer verblutet noch am Tatort. «Es besteht Wiederholungsgefahr», schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift.
Der heute 35-jährige Schweizer sitzt seit der Verhaftung unmittelbar nach der Tat in Untersuchungshaft. Erst im April hatte das Zwangsmassnahmegericht der Haftverlängerung zugestimmt. Die Staatsanwaltschaft I für schwere Gewaltdelikte befürchtet, dass der mutmassliche Täter wieder zuschlagen und einen weiteren Menschen verletzen könnte.
In der Anklageschrift, die «Crime Schweiz» vorliegt, geht die Untersuchungsbehörde von einer psychischen Störung beim Beschuldigten aus. Statt einer Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Tötung, beantragt sie die Unterbringung des Mannes in einer stationären Massnahme nach Art. 59 des Strafgesetzbuches. Dabei handelt es sich um die sogenannte «kleine Verwahrung». Ziel der Massnahme ist es, die psychische Störung – die im Zusammenhang mit der Tatbegehung steht – zu behandeln. Sie dauert in der Regel fünf Jahre, kann aber auf Antrag der Behörden verlängert werden.
A. B. war schon vor der Tat psychisch auffällig
Der psychische Zustand des Beschuldigten sei schon kurz vor der Tat merkwürdig gewesen. «Seit seine Frau ihn verlassen hat, benahm er sich immer seltsamer», sagte eine Nachbarin zu «20 Minuten». So sei er teilweise draussen vor dem Haus auf der Treppe gesessen und habe irgendetwas vor sich hingesprochen. «Er wirkte psychisch angeschlagen.»
Warum es am 3. Mai 2021 zur blutigen Auseinandersetzung kam und ob sich die Männer gekannt haben, lässt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift offen. Sicher ist: Es handelte sich beim Haus um den Wohnort des mutmasslichen Täters.

Im Erdgeschoss des Treppenhauses eskaliert an diesem Morgen kurz vor 9 Uhr die Situation. Der Mann geht mit einem Küchenmesser der Marke «Victorinox» auf sein Opfer los. Dabei handelt es sich um den 38-jährigen Polen X. P.* «Wegen seiner eindringlichen Hilferufe, hielten mehrere Anwohner Nachschau im Flur», heisst es in der Anklageschrift der Untersuchungsbehörde weiter. Darauf bedroht A. B. auch eine Nachbarin. Blutverschmiert und mit dem Messer in der Hand verfolgt er sie, drängt sie auf die Treppe und setzt sich neben sie. Die Frau habe Todesängste erlebt, so die Staatsanwaltschaft.
A. B. schlägt Polizisten Waffe aus der Hand
Wenige Minuten später ist die erste Polizeipatrouille vor Ort. Als einer der Polizisten das Blut auf A. B.s Pullover sieht, zieht er die Waffe und gibt ihm Anweisungen. Doch der legt sich plötzlich rücklings auf den Boden. Der Polizist rückt vor, da kickt A. B. seinen Fuss gegen die Waffe und schlägt sie dem Polizisten aus der Hand. Diesem gelingt es, die Waffe schnell wieder vom Boden aufzuheben. Zu zweit und mit Hilfe von zwei Bauarbeitern können sie A. B. schliesslich überwältigen.

Wann der Fall und der Antrag der Staatsanwaltschaft vor Gericht kommt, ist derzeit noch nicht klar. A. B. ist für die Sicherungshaft in der Strafanstalt Pfäffikon ZH untergebracht.
*Namen der Redaktion bekannt.