Er wolle das 13-jährige Mädchen entjungfern. Das schrieb ein Naturheilpraktiker aus Zürich seinem vermeintlichen Opfer kurz bevor er sich beim verabredeten Treffpunkt einfand. Für den fast 60-jährigen Mann mit pädophilen Neigungen wartete dort aber schon die Polizei.
Es ist ein spannender Fall, den die Zürcher Staatsanwaltschaft diese Woche vor Gericht brachte. Denn der Blick in die Anklageschrift zeigt auf, wie die Zürcher Polizeiermittler pädophilen Tätern im Netz das Handwerk legen. Aber auch, wie skrupellos die Männer bei der Suche nach ihren Opfern vorgehen.
Im dargestellten Fall fand der erste Kontakt genau vor einem Jahr, am 21. Januar 2021, über die Dating-App «Jaumo» statt. Der fast 60-jährigen Roger* schrieb das Profil eines 13-jährigen Mädchens mit dem Nicknamen «Kaja» an. Es kommt zu einem Chat – und schnell wird Roger in seinen Nachrichten konkret: «Ich würde gerne sanft, vorsichtig, liebevoll, respektvoll dich entjungfern», schreibt er dem Mädchen. Und weiter: «…es ist für uns beide sehr heikle Sache… Gesetzlich gesehen.»

(Nachgestellter Chatverlauf)
«Kaja» schreibt Roger mehrfach, dass sie erst 13 Jahre alt sei und noch zur Schule gehe. Und damit weiss Roger, sie ist ein Kind im Schutzalter. Für einen erwachsenen Mann ist der Sex mit ihr – neben moralischen Grenzen – vom Gesetz her klar verboten. In Artikel 187 des Strafgesetzbuches heisst es: «Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, es zu einer solchen Handlung verleitet oder es in eine sexuelle Handlung einbezieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.»
Doch das schreckt Roger nicht ab, im Gegenteil. Er verabredet sich mit «Kaja» auf dem Parkplatz des Bahnhofs Zürich-Affoltern. «Ich mache liebevoll, leidenschaftlich Liebe mit dir…». Kurz darauf fährt er mit seinem Wagen beim Treffpunkt vor. Mit dabei hat er Präservative und Gleitmittel.
Was Roger bis zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt: Die ganze Zeit hat er mit einem Polizeiermittler der Stadtpolizei Zürich gechattet. Zuerst auf der Plattform «Jaumo», dann auf WhatsApp. Und von diesen Chats liegt ein umfassendes Protokoll vor. Das zeigt auch, Roger fühlte sich im Netz so sicher, dass er mit seinem richtigen Namen auftrat. Neben einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten forderte die Staatsanwaltschaft ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot für die Arbeit mit Kindern sowie die Abgabe einer DNA-Probe für die Datenbank.
Jagd nach Pädophilen im Netz war umstritten
Dass die Ermittler heute im Netz Jagd nach Pädophilen machen können, war zunächst umstritten. Erst ein Bundesgerichtsurteil sorgte für Klärung. Auslöser war der Fall eines 23-jährigen Mannes 2013. Dieser war in erster Instanz wegen der versuchten sexuellen Handlungen mit einem Kind verurteilt worden.
Er ging in Berufung und machte geltend, dass die verdeckte Ermittlung nur mit einer Bewilligung des Zwangmassnahmengerichts erlaubt sei. Was in seinem Fall nicht vorlag. Das Zürcher Obergericht gab ihm Recht und sprach ihn zunächst frei.
Doch das Bundesgericht kippte dieses Urteil 2016. Seither dürfen Polizisten, wenn es das kantonale Gesetz zulässt, im Internet unter falschem Namen Jagd auf jene machen, die mit Minderjährigen anbändeln wollen.
*Name der Redaktion bekannt.