Die neuste Drogendealer-Generation fürchtet keine Polizei. Der Grund: Die Kommunikation über den Messenger-Dienste Telegram ist für die Fahnder nur schwer zu überwachen. Die Dealer fühlen sich so sicher, dass sie ihr Angebot offensiv bewerben.

Es flatterte wie ein ganz normaler Flyer ins Postfach. So als würde da jemand sein neustes Kosmetikprodukt oder die Eröffnung des Restaurants um die Ecke bewerben. «Excellent green, 🍄shrooms, white snow», steht in der Nachricht. Damit meint der Absender: Cannabis, LSD und Kokain. Und somit ist klar: Hier bietet ein Drogendealer seine Ware an. Offensiv. Ohne Angst. Direkt im Instagram-Posteingang möglicher neuer Abnehmer. «Ich will meinen Kundenkreis ja erweitern», schreibt einer der Dealer auf Anfrage von Crime Schweiz.

Dass es sich beim Angebot, das ungefragt ins Postfach flattert, nicht um jenes eines Kleindealers handelt, zeigt der Auslieferradius. So können Abnehmer in Bern, Zürich und Genf Ware beziehen. Ein ausgeklügeltes und hochprofessionelles Netzwerk macht das möglich.

So flatterte das Drogenangebot ins Instagram-Postfach.
Bild: ZVG

So funktioniert der Drogendeal auf Telegram

In diesem System gilt: Kommuniziert wird ausschliesslich über Telegram. Denn das garantiert den Drahtziehern absolute Anonymität. Und so funktionieren die Kommunikationswege:

  1. Kurier meldet sich beim Lieferdienst und bietet seinen Dienst an
  2. Lieferdienst schickt dem Kurier ein Paket mit diversen Drogen
  3. Kunde bestellt beim Lieferdienst
  4. Lieferdienst gibt Kurier den Auftrag, die Ware auszuliefern oder schickt die Drogen per Post

Gemäss mehreren Kurieren läuft das Geschäft in Corona-Zeiten hervorragend. Ein grosses Netzwerk hat bis zu 5000 Abnehmer. Mehrfach fallen die Aussagen «Goldgrube» und «Die Umsätze gehen in die Millionen». Auffallend ist zudem: Die Online-Dealer können sogar Dumping-Preise anbieten. So liegen die Kosten im Netz unter dem durchschnittlichen Strassenpreis. Gemäss Suchthilfe Schweiz kostet 1 Gramm Cannabis auf der Gasse rund 10 Franken. Auf Telegram gibt es 10 Gramm für 90 Franken.

Tappt die Polizei im Dunkeln?

Die Kuriere auf Telegram fühlen sich vor der Strafverfolgung sicher. Mit dem Anschreiben von unbekannten Profilen auf anderen Social Media-Kanälen gehen sie jetzt aber ein grosses Risiko ein. Was der Kurier nämlich nicht wissen kann: Schreibt er jetzt gerade einem Polizisten oder einer Person, die ihn anzeigt? «Das schreckt mich doch nicht ab, auf Telegram erwischt mich ohnehin niemand.»

Das stimmt so aber schon länger nicht mehr. Mittlerweile sind die Drogenfahnder den Telegram-Dealern auf der Spur. So sperrte die deutsche Polizei Ende 2020 ein grossen Netzwerk, in dem sie neun Telegramm-Kanäle übernahm. Im März 2021 verurteilte ein Berner Gericht eine Rumänin (30) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Sie arbeitete für den grössten Schweizer Drogen-Lieferdienst. Im Prozess gab sie an, dass sie bei einer Lieferung im Wert von 100 Franken, 5 in die eigene Tasche stecken durfte, den Rest allerdings musste sie weiterleiten. Kurz darauf war dieser Lieferdienst mit dem Namen «V*» auf Telegram nicht mehr erreichbar. Mittlerweile floriert das Angebot online aber wieder unter dem gleichen Namen.

Diese Meldung erschien im Teegram-Chat nachdem ihn die deutsche Polizei übernommen hatte. Bild: Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.

Mit Scheinkäufen geschnappt

Dass sich die Drogenkuriere in falscher Sicherheit wähnen, zeigt der Fall der Rumänin. Sie wurde beim Ausliefern der Ware geschnappt. Doch woher wissen die Fahnder, wo diese gerade stattfindet? Die Polizisten lesen mit – weil sie Drogen zum Schein kaufen. «Der Polizist darf das, wenn er einen konkreten Anhaltspunkt und einen Verdacht hat», bestätigt Serdar Günal Rütsche, Leiter Abteilung Cyber Crime Kapo ZH in einem Interview mit Blick.

Den Fahndern gehen dann aber in der Regel nur die kleinen Fische ins Netz. Oft sitzen die Drahtzieher des Drogen-Netzwerkes nämlich gar nicht in der Schweiz. Und eine weitere Schwierigkeit liegt für die Strafbehörden alleine in der Tatsache, dass es auf Telegram hunderte solcher Chats gibt. Eine komplette Überwachung scheitert hier alleine schon an der Masse.