Diese Woche wäre eine spektakulärer Mordprozesse vor dem Zürcher Obergericht verhandelt worden: Beim Beschuldigten handelt es sich um einen Bengalen, auf den die Staatsanwaltschaft zwei verdeckte Ermittler angesetzt hatte.
Weil das Obergerichts entschied, dass bis am 26. April keine Verhandlungen durchgeführt werden, findet der Prozess um einen Mann aus Bangladesh diesen Donnerstag nicht statt. Der heute 64-Jährige ist angeklagt, seine Frau vor über zehn Jahren in Zürich-Oerlikon regelrecht hingerichtet zu haben. Das Bezirksgericht Zürich hatte ihn im August 2018 wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.
Lange galt die Tat als eines der wenigen ungeklärten Tötungsdelikte. Die 41-jährigen Frau aus Bangladesh war am Morgen des 19. Oktober 2009 unterwegs zur Arbeit, als sie vor ihrem Wohnhaus mit mehreren Schüssen getötet wurde. Kurz nach der Tat verhaftete die Polizei ihren Ehemann.

Bild: Zvg
Beschuldigter fürchtet sich vor bösen Geistern
Der Koch stritt die Tat während der siebenmonatigen Untersuchungshaft immer ab. Ende Mai 2010 wurde er wieder freigelassen – obwohl ihn die Staatsanwältin immer noch verdächtigte und deshalb weiter ermittelte. Sein Telefon wurde abgehört, dabei redete der Witwer abgrundtief schlecht über seine tote Frau, nannte sie Nuttentocher, Nutte, Schlampe und sprach davon, dass Betrügerinnen wie sie nichts anderes verdienten als den Tod. Zudem stellte sich heraus, dass der Ehemann stark abergläubisch ist und immer wieder Wahrsager in Bangladesh anrief, weil er sich von den bösen Geistern fürchtete.
Der Ehemann wurde im September 2015 erneut verhaftet und sass nochmals siebeneinhalb Monate im Gefängnis. Drei Jahre später klagte die Staatsanwältin den Mann des Mordes an. Für sie war klar, dass er aus Eifersucht seine Frau getötet hatte. Sie hatte im Oktober 2006 eine Beziehung mit einem Schweizer begonnen, die bis zur Bluttat dauerte. Seit seiner Freilassung Ende April 2016 wohnt er wieder in der Wohnung in Oerlikon, die er sich mit seiner Ehefrau teilte. Das Paar hat zwei Kinder, die zur Tatzeit sechs und zwölf Jahre alt waren. Sie glauben auch, dass der Vater unschuldig ist.
«Ich war es, es war kein Killer»
Kernpunkt der Beweisführung waren die Aussagen von zwei verdeckten Ermittlern, welche die Staatsanwaltschaft ab 2014 auf den Ehemann angesetzt hatten: einen deutschen Polizisten namens Orhan und eine holländische Polizistin namens Susan. Während Orhan sich als weltgewandter Diamantenhändler ausgab, fungierte Susan als Wahrsagerin.
Orhan konnte mit dem Beschuldigten eine Beziehung aufbauen und traf ihn innerhalb von eineinhalb Jahren rund 30 Mal. Ihm erzählte der Ehemann, dass der Geist und die Seele seiner toten Frau immer noch in der Wohnung seien, was ihn stark belaste. Orhan machte ihn mit der Wahrsagerin bekannt, die eine spirituelle Reinigung der Wohnung vollzog und Tarotkarten legte.
Nach einer Sitzung mit der Wahrsagerin in Lausanne legte der Beschuldigte auf der Rückfahrt nach Hause gegenüber Orhan ein Geständnis ab: «Ich war es, es war kein Killer. Ich habe es allein gemacht.» Die Wahrsagerin gab ihm auch Kichererbsen, die er an den Tatorten hinlegen sollte, um die bösen Geister zu vertreiben. Im Beisein von Orhan legte er die Erbsen beim Busch in der Nähe des Wohnhauses hin, wo er die Waffe angeblich versteckt hatte, am Tatort, im Keller, wo er die Pistole aufbewahrte und bei der Bar im Langstrassenquartier, wo er sie gekauft hatte.
Drei Schüsse ins Gesicht
Der Verteidiger des Ehemanns hatte die Untersuchung und die Länge des Verfahrens vor Bezirksgericht stark kritisiert: «Das Geständnis entstand unter Druck und es ist illegal.» Dem folgten auch die erstinstanzlichen Richter, trotzdem verurteilte sie den Mann wegen Mordes. Der Schuldspruch kam alleine über die Indizien zustande, nicht über das angebliche Geständnis. Als Tatmotiv erkannten die Richter Eifersucht.
Aus Wut auf eine seit drei Jahren dauernde Affäre seiner Ehefrau habe er ihr dreimal ins Gesicht geschossen. Seine Tötungsabsichten hatte der Ehemann schon früher in sein Notizbuch geschrieben. Auch als er sich in Bangladesh beim Wahrsager erkundigte, sei es nie um die Frage gegangen, wer der Täter ist, sondern nur darum, dass die bösen Geister vertrieben werden sollen. Ein weiteres Indiz zuungunsten des Beschuldigten sei das Schussbild. Der Täter habe aus nächster Nähe mehrmals ins Gesicht des Opfers geschossen, was auf eine grosse Wut hinweise.