Das Angebot ist verlockend und macht zugleich traurig. Eine ältere Dame sucht auf Facebook einen Erben. «Ich habe Krebs und werde sterbe», schreibt sie. Doch das ist alles nur Fake. Denn hinter der rührseligen Nachricht steckt ein weitverzweigtes Verbrecher-Syndikat.

Sie flattern aus dem Nichts in den Facebook-Messanger oder ins Instagram-Postfach. Nachrichten, die verlockend klingen, fast zu gut, um wahr zu sein. Und sie sind es in der Regel auch nicht. Europäische Behörden warnen derzeit von einer regelrechten Welle, die über die Social Media-Dienste schwappt. Eine Welle von Nachrichten, die nur ein Ziel haben: Den Empfänger um sein Geld zu bringen.

Und wer Facebook und Instagram täglich nutzt, weiss, was damit gemeint ist. In den letzten drei Wochen hat alleine die Autorin dieses Artikels 30 solcher Nachrichten bekommen. Selbst während sie diesen Text schreibt, ploppen die Meldungen auf.

Da wäre zum Beispiel Monika Haller. Die ältere Dame mit dem vermeintlichen Krebs-Schicksal.

Ein Faktencheck auf Facebook zeigt: Die Dame ist erst seit dem 22. August auf der Social Media-Plattform. Auffallend ist, unter den «Gefällt mir»-Angaben sind lauter afrikanische und haitianische Firmen zu finden.

Und die Suche mit Monika Hallers Profilbild ergibt einen Treffer. In einem britischen Seniorenheim. Doch dort trägt die Frau einen komplett anderen Namen.

Mit Tränen um den Finger wickeln

Der Betrug, um den es hier geht, heisst Scamming. Englisch für Vorschussbetrug. Und so funktioniert die Masche. Bleiben wir bei Monika Haller und ihrem Erbe von 600’000 Euro. Lässt man sich auf ihre Nachricht ein, dann schreibt sie über ihre Ängste und warum sie so ein trauriges Leben führt. In gutem Deutsch, mit ein paar wenigen Schreibfehlern rührt sie das Gegenüber zu Tränen.

Ihr Ziel ist es, eine emotionale Beziehung aufzubauen, ein Vertrauensverhältnis, um im richtigen Moment die entscheidende Frage zu stellen. «Das Geld ist auf einem blockierten Konto. Ein Notar kümmert sich darum. Doch für die Akteneinsicht muss er eine Gebühr von 1500 Euro bezahlen. Geld, dass ich leider aktuell nicht aufbringen kann. Können Sie mir helfen?»

Wir wissen: Monika Haller existiert nicht. Aber wer dann steckt hinter diesem Fake-Profil? Es ist ein sogenannter «Yahoo Boy».

Hintermänner besitzen Villen und fahren Luxus-Autos

Der Ursprung dieses kriminellen Netzwerkes liege in Nigeria und habe sich mittlerweile über ganz Westafrika ausgebreitet, heisst es bei der Internationalen kriminalpolizeilichen Organisation Interpol.

Ihr Verbrechen nennen die Täter «419-Scam», nach dem Betrugs-Paragrafen im nigerianischen Strafgesetzbuch. Die Bezeichnung «Yahoo Boys» geht auf die frei verfügbaren Adressen des Mail-Anbieters zurück, die sie für ihre ersten Raubzüge im Netz verwendeten.

Die Hintermänner des Verbrechersyndikats sind mittlerweile ganz oben in der nigerianischen Gesellschaft angekommen. Sie besitzen teure Villen in den Nobelvierteln der Hauptstadt Lagos, fahren Hummer-Geländewagen und zeigen ihren Reichtum offen und ohne Angst. Sie wissen genau, der Arm der europäischen Strafbehörden reicht nicht bis ihr Land. Und die Arbeit an der Front erledigen jetzt andere für sie – teilweise direkt in der Schweiz wohnhaft.

Langsam reagiert aber auch die Polizei in Nigeria. Mit einer Spezialeinheit ist den Scammern der Kampf angesagt worden. Zu sehr haben diese mittlerweile dem Ruf des Landes geschadet.

«Nur ein Spiel, kein Verbrechen»

Die nigerianische Online-Plattform BattaBox hat 2019 ein Interview mit drei Scammern in Lagos veröffentlicht. Die drei 25- bis 27-jährigen Männer sprechen davon, dass sie ihr Vorgehen nicht als illegal empfinden. «Es ist nur ein Spiel, doch kein Verbrechen. Schliesslich geben wir den Frauen ja das, was sie suchen und das ist Zuneigung», sagt Kunle (27).

Mit dem Scamming habe er aus diesen Gründen angefangen. «Nachdem meine Mutter gestorben ist, hatte ich keinen Halt mehr. Das gibt mir die Möglichkeiten schnell genügend Geld zu verdienen», erklärt er.

Kunle im Interview mit der Online-Plattform BattaBox. Quelle: Youtube.

Nicht nur Krebs – Mit diesen Tricks wird operiert

Die Scammer haben längst verschieden Tricks entwickelt, um die Opfer zu täuschen. Die deutsche polizeiliche Kriminalprävention hat die wichtigsten zusammengetragen:

Betrug mit vorgetäuschter Liebe

In Online-Partnerbörsen sind die Scammer auf der Suche nach potenziellen Opfern. Ist ein Kontakt erst einmal hergestellt, werden diese mit Liebesbekundungen und Aufmerksamkeit überhäuft, um das Gegenüber emotional abhängig zu machen. Dann geben die Täter vor, dass sie wegen einer Geschäftsreise, eines kranken Kindes oder eines gestohlenen Koffers dringend Geld brauchen.

Scamm-Männer geben sich als Ingenieure, Architekten, Soziologen, Tierärzte und Computerspezialisten aus. Auf den Fotos sind attraktive weisse Person zu sehen, dabei handelt es sich um gestohlene Bilder.

Scamm-Frauen sind bevorzugt Krankenschwestern, Ärztinnen, Lehrerinnen oder Schauspielerinnen. Aber auch diese Bilder sind meist gestohlen oder einzig für das Scamming fotografiert worden.

Betrug mit Soldaten-Identität

Der Täter gibt sich als amerikanischer Soldat im Auslandeinsatz aus. Das sei auch der Grund weshalb er derzeit nicht an privates Geld gelange. Dann bitter er um Unterstützung via Western Union oder MoneyGram und verspricht das Geld zurückzuzahlen.

Betrug mit dem Traumjob

Die Täter inserieren Traumjobs in den Jobbörsen und geben lediglich eine Telefonnummer an. Nach dem telefonischen Vorstellungsgespräch hat man den vermeintlichen Job schon in der Tasche. Es müssen nur noch einige hundert Franken für Uniform oder Arbeitsschuhe an den neuen Arbeitgeber überwiesen werden. Kaum ist das Geld transferiert, löst sich der Arbeitgeber in Luft auf.

So schützt man sich vor Scammern

Um die Täter zu erkennen, muss man auf diese Punkte achten:

  • Sie verwenden häufig Chatnamen oder Mailadressen mit ungewöhnlichen Zeichen oder Zahlenfolgen.
  • Scammer kommunizieren oft in englisch. Schreiben sie auf deutsch, ist die Ausdrucksweise oft holperig oder es tauchen viele Schreibfehler auf.
  • Verbindungen nach Nigeria oder Westafrika. Vorsicht, wenn auf dem Facbookprofil solche Hinweise zu finden sind.
  • Scammer bitten irgendwann immer um Geld. Schicken sie niemals grössere Beträge an unbekannte Menschen im Netz.

Schweizer Behörden fordern zur Anzeige auf

Aus Scham trauen sich viele Opfer nicht, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Das sei aber wichtig, heisste es bei den Schweizer Polizeibehörden. Nur so könne den Tätern das Handwerk gelegt werden. Bei Scamming handelt es sich nach dem Schweizer Strafrecht um Betrug nach Art. 146 des Strafgesetzbuches.

Im Fall von Monika Haller war die Frage nach dem Geld am Ende dann doch nicht mehr ganz so dringend. Als die Autorin der vermeintlich älteren Dame offenlegte, sie sei Journalistin und schreibe über diese Kontaktaufnahme, trat ein, was zu erwarten war. Die sehr erzählfreudige Dame verstummte ohne weiteres Lebenszeichen abrupt.