Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan versinkt das Land im Chaos. Unsicher ist wie die Islamisten ihren Staat finanzieren wollen. Eine ihrer bisher wichtigsten Einnahmequellen ist der Verkauf der Opium-Ernte. Experten befürchten, dass Europa nun mit Heroin und anderen Opiaten überschwemmt wird.

Seit sich die Ereignisse in Kabul überschlagen, versinkt Afghanistan im Chaos. Und eine Frage drängt sich immer deutlicher auf. Wie wollen die Islamisten ihren Staat finanzieren? Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat bereits den Geldhahn zugedreht und hält 310 Millionen Franken zurück, weil das Land derzeit keine international anerkannte Regierung mehr hat.

Eine wichtige Einnahmequelle für die Taliban ist das Geschäft mit dem Schlafmohn und dem daraus gewonnenen Opium. So soll sich die Anbaufläche bereits auf 224’000 Hektaren belaufen, heisst es im aktuellen World Drug Report. «Es lässt sich festhalten, dass das Geschäft rund um Rauschgifte bis zur Machtübernahme eine wichtige Einnahmequelle für die Taliban darstellte. In den letzten fünf Jahren stammten rund 80% der weltweiten Heroinlieferungen aus Afghanistan», sagt Berina Repesa, Mediensprecherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements EJPD.

Balkanroute im Fokus

Experten befürchten, dass Europa zunehmend mit Opiaten überschwemmt wird. So sagte die deutsche Drogenbeauftragte, Daniela Ludwig, letzte Woche vor den Medien: «Wir müssen damit rechnen, dass die Taliban den Drogenanbau in Zukunft nicht zurückfahren sondern weiter ausbauen.»

Doch wie kommt das gefährliche Gift überhaupt zu uns? «Die Drogen aus Afghanistan gelangen über die Balkanroute in die Schweiz», erklärt Berina Repesa vom EJPD weiter. Gemäss dem Europäischen Drogen-Monitoring-Center EMCDDA hat sich diese Schmuggelroute bereits in den 1980er Jahren etabliert, da sie den kürzesten Landweg zu den europäischen Abnehmermärkten darstellt.

Über den Iran gelangt das Heroin in die Türkei, wo vor allem Istanbul als Dreh- und Umschlagplatz gilt, wie es beim EMCDDA und Europol weiter heisst. Ab hier gibt es drei Teilstrecken:

  • Von Griechenland und Albanien mit Fähren über das Meer.
  • Über Land durch Bulgarien, Mazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Slowenien und entweder durch Italien oder Österreich.
  • Oder über Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich.
Die traditionelle Balkan-Route.
Grafik: EMCDDA

Umgebaute Lkws, Busse und Pkws dienen als Drogenverstecke. Die Heroin-Platten liegen hinter Wand- oder Boden-Verkleidungen. In grossen Mengen werden sie neuerdings auch in Versandcontainern versteckt. In den letzten Jahren hat die durch die Behörden sichergestellte Menge an Heroin auf der Balkan-Route zugenommen, schreibt das EMCDDA weiter.

Albanische Mafia

Geht es um den Vertrieb in der Schweiz laufen die Fäden vor allem in diesem Land zusammen. «Die Drogen werden hauptsächlich durch die Mitglieder der organisierten Kriminalität in Albanien vertrieben», erklärt EJPD-Mediensprecherin Berina Repesa.

Einzelne Drogendealer gehen der Polizei immer wieder ins Netz. So kommt es bis Ende August alleine in Zürich zu zwei Gerichtsverhandlungen bei denen sich mutmassliche Täter mit albanischen Ursprungs wegen Drogenhandels verantworten müssen. «Doch kaum verschwindet ein Händler von der Strasse, steht schon der nächste da», heisst es aus Polizei-Ermittlerkreisen.

15 Kilo Heroin beschlagnahmte 2018 die St. Galler Kantonspolizei bei einer Bande in der Linthebene.
Quelle: Kantonspolizei St. Gallen

Nach der offenen Drogenszene in den 1990er-Jahren am Zürcher Letten gibt es aus User-Sicht eine gute Nachricht. Repesa: «In den letzten Jahren hat die Nachfrage nach Heroin in der Schweiz abgenommen.» Bleibt zu hoffen, dass das so bleibt, auch wenn das Angebot grösser wird und die Preise dann fallen dürften.