Der Ägypter A.* sieht zuhause keine Perspektive mehr. Er will nach Europa und wählt für seine illegale Reise die Balkanroute. Doch weit kommt er nicht. Das Geschäft der Fälscher und Schlepper lässt ihn straucheln.

Die Brüder, um die es hier geht – Syrer mit palästinensischen Wurzeln – tragen gutgemeinte Namen. Man ist versucht zu denken: nicht von schlechten Eltern. Einer heisst Der Glücklichste und der andere Der Stolze, ihr Familienname unterstreicht das ganze nochmals mit Der Nützliche. Doch der Name ist nicht immer Programm. 

Im Sommer 2019 beschliesst der junge Ägypter A. sein Land zu verlassen und reist nach Istanbul. Dort gefällt es ihm so sehr, dass er ein halbes Jahr in der Stadt hängen bleibt und – so wird es später auf Facebook und Twitter heissen – am liebsten Türke geworden wäre. Doch er konnte dort nicht bleiben. Im Januar 2020 setzt er seine Reise mit zwei anderen Ägyptern Richtung Europa fort und erreicht bald Athen. Von dort aus wollen die jungen Männer weiter nach Norden ziehen, dorthin wo vielleicht ein besseres Leben zu haben ist. 

2100 Franken für «sicheres» Geleit

In Athen wo ihre Reise ein abruptes Ende nehmen sollte, lernen die Ägypter die zwei syrischen Brüder kennen. Der eine Bruder lebt in Österreich und der andere in Athen. Es trennen sie also etwa 1800 Kilometer, was sie nicht daran hindert, sich den Ägyptern als in Athen wirkende Schlepper und Passfälscher anzubieten. Sie versprechen ihnen, gefälschte Pässe zu organisieren und sie weiter nach Norden zu bringen – für 2100 Franken pro Person. Die drei jungen Männer legen ihre Hoffnung und ihr gesamtes Geld in die Hände der Brüder.

Die gefälschten Pässe hielten der Passkontrolle nicht stand und wurden konfisziert – so der Kommentar von A. auf Facebook – die Fälscher tauchten unter, die papierlosen Opfer blieben auf der Strecke. Mitte Februar veröffentlicht der getäuschte Ägypter auf einer Facebook-Seite zwei Bilder der angeblichen Schlepper und Fälscher.

Unter seinen Post schreibt der Ägypter verzweifelt:

«Diese zwei Brüder sind Syrer und Palästinenser. Der Mann rechts auf dem Bild lebt in Österreich, der Mann links lebt in Griechenland. Zwei Freunde und ich haben sie in Athen kennengelernt. Sie haben uns versprochen, uns mit gefälschten Pässen weiter nach Norden zu bringen. Sie haben uns 6300 Franken abgenommen und sind verschwunden. Sollte sie hier irgend jemand kennen, bitte kontaktiert uns, denn sie haben uns unser ganzes Geld abgenommen und wir leben seither auf der Strasse. Hier ihre Namen…»

Die Leser kommentieren, bekunden Mitleid und Solidarität und erteilen dem jungen Mann Ratschläge. Es entwickeln sich durchaus selbstkritische Diskussionen über Syrer und Ägypter, über Rassismus in den eigenen Reihen und über das Gute und Böse bei allen Menschen. Es sind sehr interessante Einblicke, vorausgesetzt man beherrscht die arabische Sprache und deren Dialekte. 

In einem Land wie Ägypten wo das Durchschnittseinkommen pro Monat ca. 260 Franken beträgt, sind 6300 Franken ein Vermögen. Mittellose Familien müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen mobilisieren, sich oft verschulden, um dem Traum ihres Sohnes von einem besseren, erfüllten Leben in Europa nicht im Wege zu stehen. 

Genau hier bringen sich Schlepper, Betrüger, Fälscher und Kriminelle ein und geben vor, sich «nützlich» machen zu wollen. Die syrischen Brüder sind ebenfalls Migranten, wissen sehr wohl um die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung aus denen dieses Geld besteht.

Die Chancen, die verschwundenen Brüder zu finden stehen nicht schlecht, wurden doch ihre Bilder und Namen veröffentlicht. A. schreibt, dass er Tonaufnahmen von ihnen habe und eine österreichische WhatsApp-Nummer. Hinzu kommt, dass Der Glücklichste und der Stolze es bestimmt nicht so schnell schaffen werden, der Versuchung zu widerstehen, junge Träumer hinter’s Licht zu führen.  

*Name der Redaktion bekannt.